Geschrieben am 25.12.2023 (wer es lieber vorgelesen bekommt, kann sich die Story im Podcast "Arsch statt Hirn" bei Spotify, Podcasters oder direkt hier in der Podcast Rubrik anhören.
Tagebucheintrag 1: "Meine kleine Weihnachtswundergeschichte":
Mein erster Tagebucheintrag ist eine kleine Weihnachtswundergeschichte, die mir am 22.12.23 passiert ist. Ich sage es gleich vorweg, die anfängliche Geschichte nimmt eine ungeahnte Wendung:
Normalerweise treffe ich mich immer freitags mit einer netten Spanierin, um gemeinsam spanisch/deutsch zu üben. An diesem Tag sagte ich ab, denn ich hatte am Vortag eine sehr dünne Katze am Straßenrand liegen sehen, die verzweifelt in der Wintersonne versuchte sich aufzuwärmen. Wer es nicht weiß: hier in Spanien sind die Winternächte hart und kalt. Vor allem in Küstennähe ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch, was die Kälte besonders für die Gelenke schmerzhaft macht. Kalter Wind verstärkt den unangenehmen Effekt. Es war also der 21.12.2023, als ich das arme Geschöpf das erste Mal sah. Die Kleine lag schlafend auf dem Bürgersteig. Wenn Leute vorbei gingen, blieb sie davon unbeeindruckt. Um zu flüchten war sie schon längst zu schwach. Aber ohnehin interessierte sich niemand der wenigen Passanten für das Häufchen Elend.
Ich sah die Szenerie zufällig, als ich einen Parkplatz suchte, in dem abgelegenen Fischerdorf meiner Nähe, in dem ich nur ausnahmsweise war, um mit meinem Hund spazieren zu gehen. Ich hatte versucht, der Katze etwas Hundefutter anzubieten, das ich dabei hatte. Aber sie konnte es vor lauter Schmerzen nicht essen. Stattdessen kamen andere Straßenkatzen, die sehr gut genährt waren, es aßen und sie in die Flucht schlugen. All diese Katzen wurden an einer betreuten Futterstelle versorgt. Dabei werden die Tiere von Tierschützern gefangen, kastriert, am Ohr geschlitzt, um dies zu verdeutlichen, und danach regelmäßig gefüttert. So vermeidet man die Vermehrung und das Betteln der Tiere in den Restaurants, damit die Urlauber nicht gestört werden.
Nicht viele Tiere haben in Spanien dieses Glück, aber diese Katzenkolonie schon. Nur die kleine Schildpattkatze lief irgendwie unter dem Radar. Aus mir unerklärlichen Gründen haben die Leute, die die Tiere fütterten, ihren miserablen Zustand nicht bemerkt.
Mir war klar, sie muss gerettet werden und so habe ich mich direkt am Donnerstag mit einem ansässigen deutschen Tierschutzverein in Verbindung gesetzt, der die Katze medizinisch versorgen könnte, wenn ich sie fangen würde.
Freitag dann, saß ich beim Frühstück und teilte meiner lieben spanischen Freundin Camela mit, dass ich wegen einer Katzenfangaktion nicht kommen könnte. Außerdem sagte ich ihr, dass es in nächster Zeit ohnehin etwas schwierig ist, da ich selbst so große Sorgen habe. Schließlich suche ich schon lange erfolglos einen neuen Job. Meine Existenzsorgen sind riesig! Ich erzählte ihr von einigen Plänen, die ich habe und dass ich gerne in eine andere Branche wechseln möchte. Die besten Voraussetzungen habe ich dafür, nur fehlen mir leider Kontakte dorthin. Somit ist das Bewerben, trotz meiner hohen Qualifikationen, dennoch ein Glücksspiel.
Sie sagte, dass sie mir vielleicht helfen kann, denn sie hat einen Freund in Deutschland, der genau in diesem Bereich tätig ist. Eventuell kann er ein paar Kontakte nennen, wohin ich mich wenden könnte. Gesagt, getan. Sie hatte ihn sofort kontaktiert und mir sein positives Feedback geschickt. Ich könnte ihn direkt gleich anrufen. Zwar war ich in Eile, denn ich saß noch mit dem Schlafanzug beim Kaffee und ich musste mich noch fertig machen. Mein Zeitfenster war kurz, die Katze im richtigen Moment anzutreffen. Es klappt nur dann, wenn die Sonne für 2 Stunden auf den Bürgersteig scheint, den sie zu ihrem persönlichen Heizkörper in dieser Zeit macht.
Aber auch die Chance auf gute Infos zu einem Job waren wichtig, also rief ich diesen Freund namens Peter an. Er war sehr hilfsbereit und ich sagte ihm, in welcher Position ich einen Job suche. So gab er mir freundlich ein paar Details, um mich an diversen Adressen zu bewerben. Ich bedankte mich und legte auf. Dann beeilte ich mich mit duschen und anziehen. Schließlich musste ich auch noch den Katzenkorb vorbereiten sowie ein paar dicke Handschuhe und Naßfutter zum Anlocken der Katze einpacken.
Unterdessen war ich im Dauerkontakt mit einer der Tierschützerinnen, um einen Übergabeort zu vereinbaren, falls mir die Fangaktion gelingt. Parallel habe ich weiterhin mit Camela Audios ausgetauscht und Peter sendete mir plötzlich einen Aushang, den er eben am schwarzen Brett seiner Firma fand: es war ein Jobangebot, genau passend zu meinen Qualifikationen. Ich war beeindruckt über sein Engagement! Allerdings war darauf zu lesen, dass man sich bis August 2023 hätte bewerben müssen, was ich Peter zu bedenken gab. Er hatte daraufhin sofort die Personalchefin kontaktiert und gefragt, ob der Aushang noch relevant sei. Außerdem teilte er ihr mit, dass er dafür genau die richtige Person kennt. Nämlich mich! Wie nett! Wir kennen uns ja gar nicht. :)
Dann gab er mir noch die Nummer der Personalchefin und meinte, ich solle sie doch sofort anrufen. Die Zeit lief mir davon, wegen der Sonne, aber ich versuchte mein Glück. Die Dame war zu Tisch. Also gut, so habe ich meinen Hund ins Auto gepackt und bin mit meinem letzten Sprit erstmal in das besagte Fischerdörfchen gefahren, um die dünne Katze zu finden. Während der Fahrt kamen noch unzählige Nachrichten von Camela, Peter und von der Tierschützerin Paula bei mir an: Camela sprach mir weiter Mut zu, Peter fing an, mir sein Privatleben zu erzählen (ich hatte das Gefühl, er ist einsam und sucht eine Partnerin) und Paula plante mit mir zusammen die Katzenübergabe.
Gerade als ich die Straße hochfuhr, sah ich, wie sich die kleine dreifarbige Glückskatze auf ihren Stammplatz, dem Gehweg, legte. Ich wendete das Auto, so dass ich sie von der gegenüberliegenden Seite aus im Blick hatte. Sie war nur 5-8 Meter von mir weg und schlief. Mein Hund war brav, wie immer, im Fußraum des Beifahrersitzes und döste. Ich dachte, ich muss die Dame aus dem Personalbüro jetzt unbedingt nochmal anrufen. Schließlich war Freitag vor Weihnachten. Sie würde sicher nicht lange bleiben.
Also griff ich zum Handy und versuchte, mit Blick auf die Katze gerichtet, mein Glück erneut. Die Dame ging ans Telefon. Juhuuu!
Sie war sehr freundlich. Ich stellte mich vor und sagte, dass ich von dem Stellenangebot durch Peter erfuhr. Ich sagte ihr, ich wäre genau die Richtige für den Job. Kurz erörterte ich, welche Jobposition ich zuletzt hatte, dass ich aber leider nicht aus der gleichen Branche komme. Sie antwortete, dass das unabdingbar wäre, denn ich müsste ja auch dies und jenes machen. Dann mutmaßte sie weiter, dass ich das bisher alles nicht gemacht hätte. Ich war verwundert, wie schnell sie glaubte, mich bewerten zu können.
Weiterhin, mit Blick auf die kleine kämpfende Straßenkatze gerichtet, beschloss ich, für mich selbst jetzt erst einmal zu kämpfen, und sagte freundlich, aber bestimmt: „MOOOMENT, so ganz einfach kann man mich nicht in eine Schublade stecken, denn ich habe einen breit aufgestellten Lebenslauf. Schließlich war ich international tätig und komme ursprünglich aus dem Grafikbereich.“
Die Dame nahm das wohlwollend auf und lachte. Ich denke, meine Aussage, dass ich jetzt nicht einfach in eine Schublade gesteckt werden kann, gefiel ihr. Ich fügte an, dass es vielleicht dem Unternehmen sogar sehr guttun würde, wenn jemand, mit einem breiteren Blick von außen, in diesem Bereich tätig wäre.
Ich bestand darauf, dass ich ihr meine Unterlagen senden darf und sie willigte ein. Wir beendeten das Gespräch und so ging ich in meine ursprünglich geplante Aufgabe für diesen Tag über: Ich stieg aus, zog die Handschuhe an, nahm etwas Nassfutter und den Katzenkorb. Dann ging ich zu der Kleinen hinüber.
Sie lief nicht weg, aber sofort waren wieder die anderen Katzen da und machten es mir schwer, dass ich sie anlocken konnte. Ein dicker schwarzer Kater mit einem verletzen Auge, war besonders hartnäckig, die erste Geige zu spielen. Auch er wird bald Hilfe brauchen.
Ich beschloss, dass ich ihn und die anderen Streuner erstmal so richtig satt machen musste. Dafür verwendete ich das hart erworbene Futter für meine eigenen Katzen. Während ich das alles tat, dachte ich so: „Wahnsinn, Du hast selbst kein Geld und weißt nicht, wie es weiter gehen soll, aber dennoch gibst Du mal wieder Dein letztes Hemd.... Aber gut, so bist Du eben. Also mach weiter! Sie braucht Dich. Niemand anderes wird sie retten!“
Nach einem ersten Fehlversuch, sie hochzuheben, dachte ich schon, dass mir der Fang nicht gelingen würde. Ich wollte aber nicht aufgeben. Endlich waren die anderen Katzen gut gesättigt und gingen ihrer Wege. Ich redete auf die dünne Katze ein und sagte: „Lucky...so nenne ich Dich jetzt. Du hast mir heute schon Glück gebracht, denn nur weil ich meine Übungsstunde wegen Dir absagte, ist nun so viel passiert, was mir vielleicht helfen wird. Nun sei nicht so scheu. Ich will Dir umgekehrt Glück bringen. Geh mit mir mit!“
Ob Ihr es glaubt oder nicht, sie kam plötzlich zu mir rüber und schmeichelte um meine Beine. Ich war zu ihr runter gekniet und streichelte sie. Sie war so knochig und dünn, dass es herzzerreißend war. Aber sie genoss meine Zuwendung und schnurrte. Dann kraulte ich ihren Nacken und machte schon mal einen kleinen Testgriff, ob ich sie daran gleich hochheben könnte. Sie ließ es zu und so hob ich sie ganz sacht am Nacken hoch und stützte ihre Hinterläufe mit der anderen Hand. Behutsam trug ich sie zum hochkant aufgerichteten Katzenkorb und setzte sie hinein. Sie ließ sich alles gefallen. Ich möchte erwähnen, dass es mitunter sehr schwer, bis unmöglich ist, wilde Katzen mit der Hand zu fangen. Meist benötigt man dafür eine Falle.
Ich war sehr erleichtert über den Erfolg und stellte den Korb zugedeckt auf den Rücksitz meines Wagens. Mein lieber Hund wartete geduldig. Dann packte ich alles ein und belohnte meinen Wauwau noch mit einem Spaziergang am Strand. Die Katze schlief so lange im Katzenkorb.
Camela und Paula habe ich über meinen Erfolg informiert. Ebenso den mir eigentlich unbekannten Peter, der zwischenzeitlich nicht aufhörte, mir mehr über sich zu erzählen. Ich musste grinsen, denn es war mir klar, er sucht eine Frau. Ich hingegen stehe irgendwo am Strand in Spanien, mit meinem alten adoptierten Tierheimhund, habe eben eine halbtote Katze gerettet und überlege, wie ich mich selbst retten kann...
Nein, nach Romantik ist mir gerade wirklich nicht, aber wie unerwartet das Leben oft spielen kann, das ist schon beeindruckend. Camela meinte, Peter hätte sich in meine Stimme verliebt, denn gesehen hat er mich nicht. Wie niedlich!
Ist es nicht verrückt? Alles wäre nicht passiert, wenn ich nicht zufällig diese Katze gesehen hätte, die ich unbedingt retten wollte.
Ich habe überlegt, sollte ich einen Job bekommen und Lucky ist fit genug, dann adoptiere ich sie. Das hat sich diese alte arme Katze verdient.
Paula sorgte dafür, dass Lucky zum Tierarzt kam und dort Infusionen erhielt. Sie war total dehydriert. Das Blut konnte schon kaum mehr fließen. Das Maul ist entzündet, deswegen kann sie nichts essen. Alles wird nun gut, auch wenn sie sicherlich nicht mehr viel Zeit zu leben hat. Sie wird allerdings nicht mehr durch Verhungern sterben.
So meine Lieben, das war mein erster Tagbucheintrag. Ist es nicht eine turbulente kleine Weihnachtsgeschichte? Schreibt mir gerne in den Kommentaren, wie Euch mein Erlebnis gefallen hat. Liked und teilt es 🤗
Ich für meinen Teil, wünsche mir sehr, dass auch auf mich bald die Sonne mal wieder scheinen möge. Existenzsorgen sind nämlich schlimm. Wer das noch nie hatte, weiß nicht wovon ich rede. Ich wünsche es niemandem. Auch nicht armen Straßenkatzen.
Hast Du auch schon mal ein Tier gerettet?
Ja, ich erzähle es gerne hier im Kommentarbereich.
Ich würde ja gerne oft, aber ich habe keinen Plan.
Nein. Das Leid anderer interessiert mich nicht.
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Tolle Geschichte mit hoffentlich gutem Ausgang für alle beteiligten…drücke dir ganz fest die Daumen dass das neue Jahr dir endlich das Glück bringt was dir unumstritten zusteht, und freue mich auf weitere Geschichten aus deinem Leben…☺️